„Ich habe das Gefühl, dass sich meine Teammitglieder im Homeoffice entfremden. Wie kann ich sie…
„Die Geschäftsführung hat angeordnet, dass alle wieder öfter ins Büro kommen müssen. Meine Leute wollen das aber nicht. Wie kann ich mich als Führungskraft dabei am besten verhalten?“
Das hat mich kürzlich einer unserer Workshop-Teilnehmer gefragt. Und er war mit dieser Frage nicht allein, denn ich höre sie gerade von allen Seiten.
Wie geht man also aus psychologischer Sicht am besten mit dieser Situation um?
Gerade sorgen zum Beispiel die Vorstände von Deutscher Bank, VW oder SAP mit ihrer drastischen Verschärfung der Homeoffice-Regeln für viel Unmut bei den Betroffenen. Auch in anderen Organisationen sieht man, dass die meisten Mitarbeitenden es ablehnen, an fix vorgegebenen Wochentagen zurück ins Büro gezwungen zu werden.
Plötzlich Freiheit und Flexibilität wieder wegzunehmen, oft ohne fundierte Begründung – das stößt auf Widerstand und wird als Misstrauens-Signal interpretiert. Die Reaktionen reichen von schlechter Stimmung über Protest oder Missachtung der Vorschriften bis hin zur Kündigung.
Damit erreicht man sicherlich nicht „mehr Interaktion“ und eine „Stärkung der Kultur“, was oft die Absicht hinter der Anordnung von mehr Präsenzzeit ist.
Es macht also wenig Sinn, mit solch brachialen Methoden vorzugehen – außer man beabsichtigt, überschüssiges Personal zum freiwilligen Weggang zu „motivieren“.
Aus psychologischer Sicht ist es unbestritten: Gemeinsame Präsenzzeit ist wesentlich für ein Team, wenn man die Gefahr der sozialen Erosion vermeiden will.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen Zeit, um einander persönlich kennenzulernen, um unsere jeweiligen Vorlieben, Bedürfnisse und Interessen besser zu verstehen und auch private Themen zu diskutieren. Gemeinschaft und Zugehörigkeitsgefühl entstehen am schnellsten im direkten Austausch. Und oft führen Zufallsbegegnungen zu neuen kreativen Ideen.
Wenn die Gelegenheiten für diesen persönlichen Kontakt fehlen, kann ein Team schnell zerbröseln.
Diese Gefahr wittern gerade viele Führungskräfte, wie sie uns in unserer Studie zu den Top 10 Herausforderungen beim Führen hybrider Teams auch deutlich mitgeteilt haben. Die Frage, wie man Teamspirit und Bindung erhalten kann, wird dort mittlerweile als das Problem Nummer 1 benannt.
Deshalb ist es eine immens wichtige Führungsaufgabe, das Team in regelmäßigen Abständen zusammenzubringen und die Kontakte unter den Teammitgliedern zu fördern.
Doch wie gehen Sie als Führungskraft am besten mit der Situation um, wenn Ihre Mitarbeiter widerwillig ins Büro zurückkehren möchten? Stellen Sie sicher, dass Sie ihre Abneigungen verstehen, um passende Lösungen anzubieten. Möglicherweise verlieren sie Zeit und Geld auf dem Weg zur Arbeit oder fühlen sich von den Ablenkungen im Büro gestört und in der persönlichen Tagesgestaltung im Gegensatz zum Homeoffice eingeschränkt.
Wie schaffen Sie als Führungskraft den Spagat zwischen der Notwendigkeit von Präsenztreffen und dem Respekt vor den individuellen Bedürfnissen Ihrer Teammitglieder?
Das beginnt damit, zu verstehen, was Ihre Leute über die Anwesenheit im Büro denken.
Es gibt viele Gründe, warum jemand die Arbeit aus dem Homeoffice der Arbeit im Office vorzieht. Wenn Sie die nicht kennen, wird es schwierig, die richtigen Anreize für die Rückkehr ins Büro zu setzen. Fragen Sie sich dann, wie viel es Ihnen wert ist, Abhilfe für diese Gründe zu schaffen und bieten Sie Lösungen an, die ihre Abneigungen mildern.
Können und wollen Sie Kostenerstattungen für Pendler zahlen? Können und wollen Sie eine angenehme und ruhige Arbeitsumgebung und gesunde Ernährung bieten? Können und wollen Sie größtmögliche Flexibilität gewähren?
Die Antwort hängt sicherlich von Angebot und Nachfrage ab.
Wer hat auf Ihrem Gebiet mehr Marktmacht: Die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer? Gibt es einen Überfluss oder einen Mangel an Arbeitskräften? Wer kämpft um die Gunst von wem?
Genauso wie Sie die Gründe ermitteln müssen, weshalb Ihre Mitarbeitenden ungern zurück ins Büro kommen, müssen Sie natürlich auch verstehen, was Ihre Teammitglieder an den Zusammenkünften am Arbeitsplatz schätzen.
Dementsprechend ist es hilfreich, für diese Gründe die passenden Anreize zu bieten. Besonders wirksam sind insbesondere:
Es reicht definitiv nicht, nur auf die zufälligen Flurgespräche der Extravertierten zu setzen und darauf zu hoffen, dass sich dadurch Teamgeist einstellt! Oder Kicker und Obstkörbe aufzustellen😊.
Mitarbeitende an 2-3 Tagen die Woche ins Büro zu beordern bringt wenig, wenn sie dann dort den Großteil der Zeit mit Kopfhörern auf den Ohren in Online Calls verbringen.
Präsenz-Rendite wird nur erzielt, wenn die gemeinsame Zeit auch sinnvoll für Austausch genutzt wird!
Aber wie viel Zeit pro Woche sollte man dafür einplanen und investieren?
Das hängt natürlich stark von den Teamaufgaben und dem Entwicklungsgrad des Teams ab. Aber in den meisten Fällen, die ich kenne, braucht es dafür kein Budget von ein oder mehr Tagen pro Woche.
Sehr oft ist es völlig ausreichend, das Team für einen Tag alle zwei oder vier Wochen gleichzeitig zusammenzubringen – wenn man diese Zeit dann auch gezielt für das Teambuilding mit fachlichem und sozialem Austausch nutzt.
Zwei intensive Team-Tage einmal alle zwei, drei oder sechs Monate sind allemal wirksamer als zwei Tage pro Woche Einzelarbeit nebeneinander im Office, bei denen nur ein ständig wechselnder Teil des Teams anwesend ist.
Und was wir jetzt auch immer öfter von Workshop-Teilnehmern als Best Practice hören: Gemeinsame Dienstreisen sind ebenfalls ein wunderbares Mittel, um ein Team zusammenzuschweißen.
Wer definiert das „richtige Maß“?
Am besten setzen Sie sich einfach mit Ihrem Team zusammen und besprechen gemeinsam, an welchem Ort welche Teamaufgaben am besten erledigt werden können, und wer welche Anwesenheits-Präferenzen hat. Und legen Sie dann gemeinsam mit Ihrem Team fest, welche Regeln Sie sich für Präsenz im Büro geben.
Diese Regeln finden dann sicher mehr Akzeptanz als für alle „von oben“ vorgegebene Vorschriften!
Mehr Tipps dazu finden Sie auch in unserem Praxisbeitrag: „Zurück ins Büro?! Wie Sie das mit Ihrem hybriden Team klären“.
Zurück zur Einstiegsfrage: Wie sollen Sie sich als Führungskraft in der hitzigen Diskussion über Office versus Homeoffice am besten verhalten?
Der wahre Mehrwert des Office liegt in den Menschen dort, nicht in den Räumen! Kümmern Sie sich also mehr um das Fördern von zwischenmenschlichen Beziehungen als um den Auslastungsgrad der Immobilien.
Denn nur so locken Sie Ihre Mitarbeitenden wieder zurück ins Büro:
Diskutieren Sie das ruhig auch offensiv mit Ihrem Top-Management und verschaffen Sie so sich und Ihrem Team Gehör. Denn auch das gehört zu guter Führung: Probleme im Sinne der gesamten Organisation zu lösen.
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