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Wie locke ich meine Mitarbeiter wieder ins Büro?

Alexandra Altmann 
 

„Die Geschäftsführung hat angeordnet, dass alle wieder öfter ins Büro kommen müssen. Meine Leute wollen das aber nicht. Wie kann ich mich als Führungskraft dabei am besten verhalten?“

Das hat mich kürzlich einer unserer Workshop-Teilnehmer gefragt. Und er war mit dieser Frage nicht allein, denn ich höre sie gerade von allen Seiten.

Wie geht man also aus psychologischer Sicht am besten mit dieser Situation um?

Zwang erzeugt Widerstand

Gerade sorgen zum Beispiel die Vorstände von Deutscher Bank, VW oder SAP mit ihrer drastischen Verschärfung der Homeoffice-Regeln für viel Unmut bei den Betroffenen. Auch in anderen Organisationen sieht man, dass die meisten Mitarbeitenden es ablehnen, an fix vorgegebenen Wochentagen zurück ins Büro gezwungen zu werden.

Plötzlich Freiheit und Flexibilität wieder wegzunehmen, oft ohne fundierte Begründung – das stößt auf Widerstand und wird als Misstrauens-Signal interpretiert. Die Reaktionen reichen von schlechter Stimmung über Protest oder Missachtung der Vorschriften bis hin zur Kündigung.

Damit erreicht man sicherlich nicht „mehr Interaktion“ und eine „Stärkung der Kultur“, was oft die Absicht hinter der Anordnung von mehr Präsenzzeit ist.

Es macht also wenig Sinn, mit solch brachialen Methoden vorzugehen – außer man beabsichtigt, überschüssiges Personal zum freiwilligen Weggang zu „motivieren“.

Team-Treffen sind wichtig!

Aus psychologischer Sicht ist es unbestritten: Gemeinsame Präsenzzeit ist wesentlich für ein Team, wenn man die Gefahr der sozialen Erosion vermeiden will. 

Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen Zeit, um einander persönlich kennenzulernen, um unsere jeweiligen Vorlieben, Bedürfnisse und Interessen besser zu verstehen und auch private Themen zu diskutieren. Gemeinschaft und Zugehörigkeitsgefühl entstehen am schnellsten im direkten Austausch. Und oft führen Zufallsbegegnungen zu neuen kreativen Ideen.  

Wenn die Gelegenheiten für diesen persönlichen Kontakt fehlen, kann ein Team schnell zerbröseln.  

Diese Gefahr wittern gerade viele Führungskräfte, wie sie uns in unserer Studie zu den Top 10 Herausforderungen beim Führen hybrider Teams auch deutlich mitgeteilt haben. Die Frage, wie man Teamspirit und Bindung erhalten kann, wird dort mittlerweile als das Problem Nummer 1 benannt.  

Deshalb ist es eine immens wichtige Führungsaufgabe, das Team in regelmäßigen Abständen zusammenzubringen und die Kontakte unter den Teammitgliedern zu fördern.

Die Abneigung gegen das Office verstehen und Abhilfe schaffen

Doch wie gehen Sie als Führungskraft am besten mit der Situation um, wenn Ihre Mitarbeiter widerwillig ins Büro zurückkehren möchten? Stellen Sie sicher, dass Sie ihre Abneigungen verstehen, um passende Lösungen anzubieten. Möglicherweise verlieren sie Zeit und Geld auf dem Weg zur Arbeit oder fühlen sich von den Ablenkungen im Büro gestört und in der persönlichen Tagesgestaltung im Gegensatz zum Homeoffice eingeschränkt.

Wie schaffen Sie als Führungskraft den Spagat zwischen der Notwendigkeit von Präsenztreffen und dem Respekt vor den individuellen Bedürfnissen Ihrer Teammitglieder?

Das beginnt damit, zu verstehen, was Ihre Leute über die Anwesenheit im Büro denken.

Warum wollen sie ungerne ins Büro zurückkehren?
  • Verlieren sie zu viel Zeit bei An- und Abreise?  
  • Entstehen ihnen durch das Pendeln zusätzliche Fahrtkosten oder Kosten für die Betreuung von Familienangehörigen oder Haustieren? 
  • Fühlen sie sich im Büro durch Lärm oder Ablenkungen gestört und können deshalb im Homeoffice produktiver arbeiten? 
  • Haben sie Angst vor Ansteckungsgefahren am Arbeitsplatz? 
  • Finden sie es zu mühsam, sich im „New Work“ Büro jedes Mal einen neuen Arbeitsplatz zu erkämpfen?  
  • Stört sie die ungesunde Ernährung im Büroalltag? 
  • Wollen sie nach der Pandemie nicht mehr in die strenge Trennung von Arbeit und Privat zurückfallen und Flexibilität aufgeben?  
  • Sind sie introvertiert und empfinden den Small Talk im Büro als unangenehm?   

Es gibt viele Gründe, warum jemand die Arbeit aus dem Homeoffice der Arbeit im Office vorzieht. Wenn Sie die nicht kennen, wird es schwierig, die richtigen Anreize für die Rückkehr ins Büro zu setzen. Fragen Sie sich dann, wie viel es Ihnen wert ist, Abhilfe für diese Gründe zu schaffen und bieten Sie Lösungen an, die ihre Abneigungen mildern.
Können und wollen Sie Kostenerstattungen für Pendler zahlen? Können und wollen Sie eine angenehme und ruhige Arbeitsumgebung und gesunde Ernährung bieten? Können und wollen Sie größtmögliche Flexibilität gewähren? 

Die Antwort hängt sicherlich von Angebot und Nachfrage ab.  
Wer hat auf Ihrem Gebiet mehr Marktmacht: Die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer? Gibt es einen Überfluss oder einen Mangel an Arbeitskräften? Wer kämpft um die Gunst von wem? 

Mehrwert im Büro schaffen und Anreize setzen

Genauso wie Sie die Gründe ermitteln müssen, weshalb Ihre Mitarbeitenden ungern zurück ins Büro kommen, müssen Sie natürlich auch verstehen, was Ihre Teammitglieder an den Zusammenkünften am Arbeitsplatz schätzen. 

Es gibt viele Gründe, warum sie gerne wieder ins Büro kommen
  • Möglichkeit zum Austausch mit Kollegen haben: Gerade für jüngere Mitarbeitende ist der Arbeitsplatz auch ein Ort, um Freunde zu finden
  • Möglichkeit zum Austausch mit Vorgesetzten nutzen: Nähe zu der Person, die die eigene Karriere voranbringen kann, die Leistung beurteilt oder von der man lernen kann 
  • Hilfe und Know How von anderen erhalten, gerade wenn man neu in der Organisation und in einer Aufgabe ist 
  • Gemeinsam Ideen entwickeln, Lernen ermöglichen und fachliche Inspiration bekommen 
  • Extrovertierte: sie können ihre Batterien im Büro durch die vielfältigen sozialen Kontakte besser aufladen als zu Hause 
  • Personen mit wenig Platz oder Internet-Bandbreite zu Hause: sie schätzen einen ruhigeren Arbeitsplatz im Office, weil sie Hause gestört werden und nicht die richtige Infrastruktur haben 

Dementsprechend ist es hilfreich, für diese Gründe die passenden Anreize zu bieten. Besonders wirksam sind insbesondere: 

  • Viele Möglichkeiten zum informellen Austausch mit Kollegen schaffen, z.B. in Kaffee-Ecken oder Cafeterias und mit organisierten Teamaktivitäten im Kollegenkreis wie z.B. Onboarding-Tagen, Community-Treffen oder auch Tauschbörsen 
  • Zeit und Gelegenheit für Treffen mit dem Management ermöglichen. Dazu gehören einerseits Townhall- oder Team-Meetings, aber vor allem auch die individuelle Verfügbarkeit und Ansprechbarkeit der Vorgesetzten oder „Meet the Manager“-Kaffeerunden 
  • Gemeinsame Lernevents, Fortbildungen, Strategie-Meetings oder Innovationstage durchführen, die auf inhaltlichen Austausch und Best Practice Sharing fokussieren 
  • Gemeinsames Feiern von Erfolgen, Meilensteinen oder auch persönlichen Situationen wie Geburtstagen, Jubiläen, neuen Zertifikaten oder familiären Ereignissen 
  • Networking mit anderen Teams in der Organisation 
  • Nicht nur Meetingecken, sondern vor allem auch ruhige Arbeitsplätze für Konzentrationsarbeit bereitstellen 
  • Komfort-Services anbieten, die die Abwesenheit vom Homeoffice ausgleichen, wie z.B. Einkaufs- oder Wäscheservice, Kinder- oder Haustierbetreuung, Catering. 

Es reicht definitiv nicht, nur auf die zufälligen Flurgespräche der Extravertierten zu setzen und darauf zu hoffen, dass sich dadurch Teamgeist einstellt! Oder Kicker und Obstkörbe aufzustellen😊.

Das richtige Maß an gemeinsamer Präsenzzeit finden 

Mitarbeitende an 2-3 Tagen die Woche ins Büro zu beordern bringt wenig, wenn sie dann dort den Großteil der Zeit mit Kopfhörern auf den Ohren in Online Calls verbringen.  

Präsenz-Rendite wird nur erzielt, wenn die gemeinsame Zeit auch sinnvoll für Austausch genutzt wird!  

Aber wie viel Zeit pro Woche sollte man dafür einplanen und investieren?

Das hängt natürlich stark von den Teamaufgaben und dem Entwicklungsgrad des Teams ab. Aber in den meisten Fällen, die ich kenne, braucht es dafür kein Budget von ein oder mehr Tagen pro Woche.  

Sehr oft ist es völlig ausreichend, das Team für einen Tag alle zwei oder vier Wochen gleichzeitig zusammenzubringen – wenn man diese Zeit dann auch gezielt für das Teambuilding mit fachlichem und sozialem Austausch nutzt. 

Zwei intensive Team-Tage einmal alle zwei, drei oder sechs Monate sind allemal wirksamer als zwei Tage pro Woche Einzelarbeit nebeneinander im Office, bei denen nur ein ständig wechselnder Teil des Teams anwesend ist.  

Und was wir jetzt auch immer öfter von Workshop-Teilnehmern als Best Practice hören: Gemeinsame Dienstreisen sind ebenfalls ein wunderbares Mittel, um ein Team zusammenzuschweißen.  

Wer definiert das „richtige Maß“? 

Am besten setzen Sie sich einfach mit Ihrem Team zusammen und besprechen gemeinsam, an welchem Ort welche Teamaufgaben am besten erledigt werden können, und wer welche Anwesenheits-Präferenzen hat. Und legen Sie dann gemeinsam mit Ihrem Team fest, welche Regeln Sie sich für Präsenz im Büro geben.  

Diese Regeln finden dann sicher mehr Akzeptanz als für alle „von oben“ vorgegebene Vorschriften!  

Mehr Tipps dazu finden Sie auch in unserem Praxisbeitrag: „Zurück ins Büro?! Wie Sie das mit Ihrem hybriden Team klären“.

Fazit: Die Führungsaufgabe wahrnehmen

Zurück zur Einstiegsfrage: Wie sollen Sie sich als Führungskraft in der hitzigen Diskussion über Office versus Homeoffice am besten verhalten? 

Der wahre Mehrwert des Office liegt in den Menschen dort, nicht in den Räumen! Kümmern Sie sich also mehr um das Fördern von zwischenmenschlichen Beziehungen als um den Auslastungsgrad der Immobilien. 

Denn nur so locken Sie Ihre Mitarbeitenden wieder zurück ins Büro: 

  • Suchen Sie zusammen mit Ihren Leuten nach der besten Lösung für produktive und attraktive Teamarbeit: Was brauchen, wir damit wir unseren Job wirklich gut machen können?
  • Hören Sie genau hin, was Ihr Team aus welchen Gründen als Arbeitsort bevorzugt – und bestehen Sie gleichzeitig auf allem, was für den Teamerfolg unabdinglich ist. Die Job-Erfordernis geht vor.
  • Begründen Sie den Mehrwert von gemeinsamer Präsenzzeit, fordern Sie diese wohldosiert ein und organisieren Sie den Austausch an den Tagen, an denen alle gleichzeitig anwesend sind.  
  • Und gewähren Sie ansonsten größtmögliche Flexibilität! 

Diskutieren Sie das ruhig auch offensiv mit Ihrem Top-Management und verschaffen Sie so sich und Ihrem Team Gehör. Denn auch das gehört zu guter Führung: Probleme im Sinne der gesamten Organisation zu lösen.

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