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Proximity Bias – Wie Sie unfaire Beurteilungen in hybriden Teams vermeiden

Alexandra Altmann 
 

Endlich kann sich das Team wieder im Büro treffen. Manche sind öfter vor Ort, andere seltener.

Achtung: Da kann sich der „Proximity Bias“ negativ auf das Team auswirken! Vor allem, wenn die Führungskraft selbst viel Wert auf Präsenz legt. Denn dann ist das Risiko von unbewusster Ungleichbehandlung der Teammitglieder besonders hoch.

Was steckt hinter dem „Proximity Bias“, und wie kann man damit umgehen?

Schon wieder ein neuer Bias?

Sie kennen sicher den Gender Bias: die Tendenz, Männer und Frauen wegen ihres Geschlechts unterschiedlich wahrzunehmen und zu beurteilen. Bei dem „Proximity Bias“ handelt es sich um einen ähnlichen Verzerrungseffekt.

Als „Bias“ bezeichnet man einen systematischen menschlichen Urteilsfehler. Die meisten Führungskräfte in unseren Trainings würden sich selbst für völlig objektiv und für unvoreingenommen halten. Und realisieren dann doch, dass sie - wie jeder von uns - unbemerkten kognitiven Fehleinschätzungen unterliegen. Denn oft wird unser Denken von bestimmten Grundannahmen, Neigungen und Vorurteilen beeinflusst, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Der Proximity Bias

Unter dem „Proximity Bias“ versteht man die Tendenz, diejenigen Personen, die sich in der Nähe befinden, positiver zu beurteilen als diejenigen, die nicht direkt um einen herum sind.

Auf die hybride Teamarbeit bezogen: Mit den Personen, die uns täglich im Büro begegnen, sprechen wir mehr, wir sehen was sie tun und wir fragen sie öfter um Rat. Wenn Aufgaben zu verteilen sind, haben wir sie eher im Sinn und geben sie ihnen deshalb eher als anderen, die remote arbeiten. Daher ist es eine natürliche Folge, dass wir sie im Hinblick auf ihre Leistung besser einschätzen.

Für die Führungskraft bildet sich dabei schnell der Eindruck, dass die Personen im Office produktiver und kompetenter sind als die Kollegen im Homeoffice, die sie nicht so direkt im Blick hat.

Das Risiko für das Team

Der Proximity Bias führt also zu dem unbewussten menschlichen Urteilsfehler, die Menschen in seiner Nähe zu bevorzugen.

Viele Führungskräfte sind sich dieses Biases leider nicht bewusst. Gerade wenn sie selbst viel im Büro arbeiten, sind sie besonders dafür gefährdet, Leistungen der remote Arbeitenden nicht fair zu beurteilen. Deren Fähigkeiten werden dann nicht voll genutzt – und das Team bleibt in der Performance hinter dem eigentlichen Potenzial zurück.

Das führt dann zu Frustration bei denen, die weniger gesehen werden und unfaire Einschätzungen und Benachteiligung erleben.

Wenn die Führungskraft diesen blinden Fleck nicht erkennt, kann das mittelfristig zu einer „Zweiklassengesellschaft“ und viel Unzufriedenheit im Team führen. Nicht selten wandern die zu wenig beachteten Talente dann ab zu anderen Teams oder Arbeitgebern – ein großes Problem gerade dann, wenn in einer Branche sowieso schon Arbeitskräftemangel herrscht.

Was Sie tun können, um den Schaden durch den Proximity Bias gering zu halten

Zunächst einmal: Sie können diesem Bias nicht entkommen, er ist wie gesagt eine typische menschliche Reaktion.
Aber Sie können sich der Tendenz zu diesem Urteilsfehler bewusstwerden und besonders darauf achten, niemanden in Ihrem Team nur deshalb zu bevorzugen, weil er oder sie in Ihrer Nähe ist!

Und so wirken Sie dem Proximity Bias gezielt entgegen:

  • Verfolgen Sie genau, ob Sie mit allen im Team gleich viel kommunizieren. Am besten halten Sie mit einer Checkliste systematisch fest, wie viel Zeit und Austausch Sie mit jedem Ihrer Teammitglieder unabhängig von deren Standort verbringen.
    Wie oft haben Sie mit jedem kurzen Kontakt? Das kann ein kurzer persönlicher Austausch zum Beginn oder Ende eines fachlichen Gesprächs sein – oder einfach auch mal ein schneller Anruf, um zu hören wie’s geht oder eine Sache, die gut gelaufen ist, zu loben.
    Und planen Sie darüber hinaus regelmäßige Einzelgespräche zur „Tuchfühlung“ mit jeder Person, um ihre Situation und Befindlichkeit besser zu verstehen und sie in oder bei ihrer Entwicklung zu unterstützen.
  • Halten Sie die Meetings mit allen Teammitgliedern möglichst „auf Augenhöhe“ ab – also alle entweder in Präsenz oder im Video-Call. Vermeiden Sie hybride Meetings, bei denen ein Teil der Leute im physischen Besprechungsraum sitzt und ein anderer Teil remote zugeschaltet ist. Denn diese Situation führt schnell zu einer „Zweiklassengesellschaft“, wenn sie nicht extrem gut moderiert wird.
  • Rufen Sie Ihren Leuten im Büro wichtige Informationen nicht „mal schnell über den Flur zu“, sondern achten Sie darauf, alle relevante Kommunikation online zu teilen (z.B. über MS TEAMS Kanäle). Dann sind auch die Homeoffice-Arbeitenden immer gleich gut informiert und eingebunden.
  • Legen Sie klare Kriterien für die Leistung Ihrer Teammitglieder fest und wenden Sie diese systematisch bei der Leistungsbeurteilung an. So vermeiden Sie die einseitige Bevorzugung der Personen in Ihrer Nähe.

Helfen Sie dem Team beim Umgang mit dem Proximity Bias

Die Verantwortung dafür, die negativen Auswirkungen des Proximity Bias zu begrenzen, liegt natürlich nicht nur bei Ihnen allein. Jede und jeder im Team ist auch selbst dafür verantwortlich, für die eigene Sichtbarkeit zu sorgen.

Wer sich nicht darum kümmert, dass die anderen seine Beiträge, Fähigkeiten und Ergebnisse mitbekommen, braucht sich nicht wundern, wenn er übersehen oder weniger positiv beurteilt wird.

Unterstützen Sie deshalb Ihre Teammitglieder gezielt dabei, nun „Hybriditätskompetenz“ zu erwerben – also neue Skills, die bei der hybriden Zusammenarbeit besonders gefordert sind. Und dazu gehört eben auch das Bewusstsein dafür, dass man selbst die Initiative dafür übernehmen muss, beim mobilen Arbeiten außerhalb des Büros nicht in Vergessenheit zu geraten.

Konkret bedeutet das, auch auf Distanz eigene Leistung sichtbar zu machen, z.B. über aktive Beiträge in Meetings, MS Teams-Kanälen oder Chats, - und Zeit in Beziehungspflege zu investieren.

Zeigen Sie Ihren Teammitgliedern, wie sie dabei ein gutes Mittelmaß zwischen „aufdringlicher Angeberei“ und „bescheidener Zurückhaltung“ finden. Nicht jedem ist diese Fähigkeit automatisch gegeben – und Sie wissen bestimmt, wer hier von etwas Unterstützung profitieren kann.

Also: Machen Sie sich und Ihrem Team die Gefahr bewusst, die im Proximity Bias liegt – und achten Sie darauf, ihr bewusst entgegenzuwirken. So können Sie gemeinsam die Chancen der hybriden Zusammenarbeit heben und die neue Flexibilität erstklassig nutzen!

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