Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gezeigt, dass Teamarbeit über verschiedene Homeoffices und Standorte…
Wie kann man nah dran bleiben an den Menschen im Team, auch wenn sie nicht im Büro sind? „Das Zwischenmenschliche bleibt beim Arbeiten aus dem Homeoffice ja auf der Strecke.“
Die Frage, ob und wie man persönliche Nähe auf Distanz schaffen kann, bewegt aktuell viele Organisationen. Manchen fällt dann keine andere Lösung ein, als die Mitarbeitenden zurück ins Büro zu zwingen. Doch das geht auch anders!
Immer wieder schildern mir Führungskräfte ihr Dilemma beim Umgang mit ihren Teammitgliedern:
„Meine Leute sind nun viel weniger im Office. Früher habe ich bei den zufälligen Begegnungen im Flur oder in der Kaffeeküche noch viel von ihnen mitbekommen und dabei gemerkt, wie es ihnen geht. Und wenn ich eine Frage hatte, konnte ich einfach schnell mal zu ihnen rübergehen.
Nun gibt es dafür viel weniger Möglichkeiten. Es ist eine Hürde, jemanden einfach mal so anzurufen, das müsste ich extra planen, und dafür fehlt mir die Zeit. Außerdem will ich ja nicht aufdringlich erscheinen oder den Eindruck erwecken, dass ich sie kontrollieren will.
Aber es mir doch ein Anliegen, nah an ihnen dranzubleiben und mögliche Probleme rechtzeitig zu entdecken.“
Sie sprechen damit eine Kernaufgabe von Führung an: Sich auch um das emotionale Befinden der Menschen im Team zu kümmern.
Und gerade in Krisenzeiten ist das besonders wichtig. Wir alle erleben gerade so viele Umbrüche in der Welt. Kriege, Neuwahlen, fundamentale wirtschaftliche Umstrukturierungen, tiefgreifende Änderungen auch in der eigenen Organisation – all das hinterlässt aktuell sicher Spuren bei jedem Einzelnen. Wie kann man das auffangen?
Wäre es da nicht das Einfachste, alle würden so wie früher nur in Präsenz arbeiten? Da sieht man sich dann täglich und kann ohne viel Aufwand bei zufälligen Begegnungen die Stimmung erfassen und dann schnell Ermunterung verbreiten.
Davon träumen immer noch manche Manager, die ihr Führungsrepertoire noch nicht um das erweitert haben, was es in der neuen mobilen Arbeitswelt braucht.
Das Rad wird sich allerdings nicht mehr zurückdrehen. Die Wissensarbeiter sind nicht bereit, ihre neu gewonnene Flexibilität bei der Arbeit aufzugeben.
Das erleben gerade die Organisationen, die versuchen, ihre Mitarbeitenden zwangsweise zurück ins Büro zu beordern, und damit Schlagzeilen machen. Den lauten Unmut der Belegschaft von Deutscher Bank, Otto, SAP etc. können wir täglich in den sozialen Medien miterleben.
Eines sollten wir dabei nicht vergessen: Nur weil alle wieder physisch am gleichen Ort sind, stellt sich noch längst keine emotionale Nähe ein. Denken Sie nur an all die Diskussionen über interne Grabenkämpfe, Belästigung oder Mobbing, die vor der Pandemie das Geschehen beherrscht haben.
Und nur weil ich mich mit Leuten, die ich zufällig beim Kaffeeholen treffe, gut unterhalte, führe ich noch nicht inklusiv. Sind es nicht immer die Gleichen, denen ich dort begegne? Was ist mit den Stilleren, die mehr Zeit an ihrem Schreibtisch verbringen, oder mit denen, die gar keinen Kaffee trinken oder mich aus Schüchternheit nicht ansprechen? Vernachlässige ich dabei nicht einen signifikanten Teil meines Teams?
Verfallen Sie nicht der Illusion, Sie seien eine gute Führungskraft, nur weil Sie beim Gang über den Flur alle freundlich grüßen!
Doch was ist nun der entscheidende Faktor, durch den Sie persönliche Nähe mit anderen herstellen können, egal ob im Büro oder auf Distanz?
Ganz einfach: Dass Sie sich Zeit nehmen für die andere Person, ihr Ihre volle Aufmerksamkeit schenken und ihr damit Wertschätzung entgegenbringen.
Das geht genauso im Online-Call, wenn Sie beide die Kamera anhaben und Sie Mimik und Gestik beobachten können. Gut, wenn Sie sich nur per Video treffen, können Sie die andere Person nicht riechen und auch nicht anfassen. Aber ist das im Arbeitskontext wirklich so wichtig?
Die Pflege der persönlichen Beziehung ist das, was gute ManagerInnen von schlechten unterscheidet – und dafür muss man nicht nebeneinander im Büro sitzen.
Es ist der Job einer Führungskraft, zumindest mit den ihr direkt Zugeordneten engen Kontakt zu halten. In der hybriden Arbeitswelt müssen Sie dafür Ihr Verhaltensrepertoire erweitern und auch über Videocalls effektiv kommunizieren.
Diese Calls muss man allerdings etwas disziplinierter planen und organisieren – das ist nicht so bequem wie das unsystematische „Management by Walking Around“ im Office. Aber seien wir mal ehrlich: Das ist auch nicht sonderlich effizient und frisst manchmal viel Zeit – und man trifft dabei auch nicht alle.
Planen Sie also regelmäßig Zeit für kurze Einzelgespräche zur „Tuchfühlung“ mit jeder Person ein, um persönliche Nähe auf Distanz zu fördern. Achten Sie darauf, niemanden zu vernachlässigen, nur weil diese Person nicht so oft physisch in Ihrer Nähe ist.
Am besten kontrollieren Sie sich selbst mit einer einfachen Checkliste, auf der Sie jedes Teammitglied aufführen und regelmäßig überprüfen, ob Sie in den ein oder zwei letzten Wochen einen kurzen Austausch mit dieser Person auch auf der persönlichen Ebene hatten.
Ob diese Einzelgespräche im Büro stattfinden oder online, das macht meiner Erfahrung nach keinen großen qualitativen Unterschied, solange Sie beide bei den Online-Calls deutlich auf Video zu sehen sind. Unabhängig vom Format hängt es eher von Ihrem Führungsverhalten ab, ob Sie emotionale Nähe herstellen können.
Natürlich sollten Sie diese Gespräche nicht überfallartig durchführen, sondern am Rande eines Fachgesprächs ein paar Minuten über Persönliches plaudern oder sie vorher ankündigen. Entweder durch eine Anfrage für einen 15-minütigen Termin – oder durch eine spontane Chatnachricht: „Hast Du jetzt kurz Zeit – oder wann würde es Dir mal passen?“.
Wenn ich zum Beispiel bemerke, dass ich mit einem meiner Teammitglieder schon länger nicht mehr auf der persönlichen Ebene gesprochen habe, suche ich bewusst nach einem Aufhänger für ein Gespräch. Das kann eine schnelle Fachfrage sein, die sich mündlich besser erklären lässt als über eine Online-Nachricht oder – noch besser – eine Sache, die mir an dieser Person positiv aufgefallen ist und für die ich ihr ein kurzes Lob aussprechen will. Und dieses Gespräch kann ich dann um persönliche Komponenten ergänzen.
Verwenden Sie die Zeit in den Einzelgesprächen darauf, die Situation und Befindlichkeit der Person bei ihrer Arbeit zu verstehen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Natürlich kann es dabei auch mal um etwas Privates gehen - aber Sie sollten es Ihrem Gegenüber überlassen, ob und wie intensiv es darüber sprechen will.
Vor allem geht es bei diesen Gesprächen um Zuhören mit Empathie, um das Wahrnehmen von Gefühlen und um die Stärkung der emotionalen Bindung. Kontrollieren Sie sich dabei: Ihre Redezeit sollte natürlich auf keinen Fall mehr Anteil haben als die Redezeit Ihres Gegenübers!
Die Mitglieder Ihres Teams wollen in ihrer Arbeit gesehen, gehört und geschätzt werden. Wenn Sie ihnen Zeit gewähren, empathisch zuhören und ihnen ehrliche Rückmeldungen geben, haben Sie damit eine echte Verbindung und persönliche Nähe auch auf Distanz hergestellt. Und Sie bekommen einen guten Eindruck davon, ob die Stimmung dieser Person im grünen Bereich ist oder der Aufmerksamkeit bedarf.
Es ist aber nicht immer einfach, in diesen Gesprächen auf eine persönliche Ebene zu kommen.
Sie kennen das wahrscheinlich: Wenn Sie jemanden fragen „Wie geht’s?“, kommt oft erstmal die reflexhafte Antwort „Gut“. Denn die andere Person kann in dem Augenblick noch nicht einschätzen, ob das nur eine Höflichkeitsfrage ist, oder Sie tatsächlich ein tieferes Interesse am Befinden dieser Person haben.
Alternativ können Sie fragen: „Geht’s dir gut?“ Da kommen dann oft schon differenziertere Antworten, die von „Läuft grade super!“ über „ja, läuft“ bis hin zu „na ja, geht schon“ reichen können und Ihnen schon mehr Ansatzpunkte zum Nachhaken geben.
Und falls die Antwort nur ein ganz neutrales „ja, alles klar“ ist, können Sie noch mit einem einfachen „Wirklich?“ nachhaken und danach eine bewusste Pause machen. Das signalisiert Ihrem Gegenüber, dass Sie tatsächlich mehr wissen wollen und öffnet oft die Schleusen für eine tiefere Antwort.
Wenn Sie etwas mehr Zeit für ein Einzelgespräch haben, können Sie gezielter nachfragen, um etwas über die augenblickliche Situation und Motivationslage Ihres Teammitglieds herauszufinden. Hilfreiche „Check-in“-Fragen dazu können sein:
Eventuell können Sie auch nach den privaten Umständen der Person fragen.
Je stärker Ihre Vertrauensbasis ist und je mehr Sie bereit sind, in persönlichen Gesprächen auch etwas über sich und Ihre Befindlichkeit preiszugeben, desto mehr werden sich auch Ihre Mitarbeitenden Ihnen gegenüber öffnen.
Nutzen Sie beim mobilen Arbeiten unbedingt auch jede Chance, der Person deutlich zu machen, dass Sie sie schätzen.
Das tun Sie im Prinzip ja schon allein dadurch, dass Sie sich Zeit für regelmäßige Einzelgespräche nehmen. Sie signalisieren Ihrem Teammitglied dadurch deutlich, dass es Ihnen wichtig ist und Ihnen sein Wohlergehen am Herzen liegt.
Geben Sie der Person aber auch in der Zeit zwischen diesen Gesprächen schnell positives Feedback, wenn ihr etwas gut gelungen ist.
Das kann eine kurze Chatnachricht sein – gerade bei Leuten der jüngeren Generation ist wichtig, schnell und gerne auch mal mit einem Emoji zu reagieren. Einige aus älteren Generationen würde das vielleicht eher irritieren – sie würden einen kurzen Anruf als wesentlich wertvoller erleben. Aber sicherlich kennen Sie Ihre Leute gut genug, um zu wissen, welcher Kommunikationskanal jeweils als passender erlebt wird.
Sie können auch eine Nachricht an das ganze Team senden, um jemanden für einen positiven Beitrag zu loben – oder der Person eine „Bühne“ im nächsten Teammeeting geben und sie dort von einem Erfolg berichten lassen. So stärken Sie insgesamt auch das Gemeinschaftsgefühl.
Ein ehrlich gemeintes Lob von der Führungskraft – das ist eines der stärksten psychologischen Wirkmittel beim Führen. Zögern Sie nicht, es verschwenderisch einzusetzen!
Letztendlich liegt es nur an der Leadership-Kompetenz, ob man persönliche Nähe auf Distanz herstellen kann – indem man sich Zeit nimmt für das Gegenüber, empathisch zuhört und Wertschätzung vermittelt. Und dafür braucht es nicht gleichzeitig physische Anwesenheit – das geht auch gut in Online-Calls!
Wenn also das nächste Mal jemand aus dem Management sagt: „Uns fehlt die zwischenmenschliche Nähe – und das geht halt bei uns Menschen nur, wenn wir physisch zusammenkommen“ – dann könnte es daran liegen, dass diese Person einfach noch mehr am richtigen Mindset, Skillset und Toolset für Führung und Zusammenarbeit auf Distanz arbeiten muss.
Mehr Praxistipps und Best Practices zum Mindset, Skillset und Toolset für die Zusammenarbeit auf Distanz erhalten Sie hier:
Für Teams, bei denen manche Teammitglieder direkt im Büro und andere im Homeoffice oder mobil arbeiten.
Für Teams, mit verschiedenen nationalen und internationalen Standorten, die sich nur sehr selten oder nie in Präsenz treffen.