virtuu Praxistipps

Umgang mit Krisen - wie geht das auf Distanz?

Alexandra Altmann 
 

Wie kann man nah dran bleiben an den Menschen im Team, auch wenn sie nicht im Büro sind? Wie schafft man auch bei räumlicher Distanz Gelegenheit für den zwischenmenschlichen Austausch? Die Frage, wie man persönliche Nähe auf Distanz schafft, bewegt aktuell viele Führungskräfte – und natürlich auch uns im Team.

Zum Beispiel hatten wir mit diesem Ziel 2022 eine Faschingsfeier für den 25.2. geplant. Dann kamen der Ukraine-Krieg und das riesige Unbehagen, das er auslöste. Wie geht man mit so einer Situation im Team gut um?

Wir bei virtuu sind ja ein rein virtuelles Team - wir haben keine Büroräume, sondern treffen uns in der Cloud. Das engere Kernteam besteht aus 5 Leuten, die alle in unterschiedlichen Städten wohnen und arbeiten. Wir hatten damals zwei neue Leute an Bord, die noch nicht mal ich je in Präsenz getroffen habe.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns Zeit für Teambuilding nehmen.

Den Zusammenhalt im Team fördern

Dazu gehört eben auch das Feiern an bestimmten Daten. Den Fasching hatten wir uns damals nach der virtuellen Weihnachtsfeier als so ein Datum gewählt. Eine von uns hatte seit Wochen die Planung für dieses Online-Teamevent koordiniert. Wir wollten gemeinsam Online Spiele spielen, hatten einen Wettbewerb für den witzigsten Bildschirm-Hintergrund ausgerufen und der Dresscode war „Irgendwas mit Kopfbedeckung“.

Und dann begann einen Tag vorher der Krieg in der Ukraine. Überall wurden die Karnevalsfeiern abgesagt. Wir stellten die Frage im Team-Chat: Sollen wir uns unter diesen Umständen wirklich zum Feiern treffen?

Die Antworten kamen schnell und deutlich: Nein, keiner hatte Lust auf Feiern. Aber alle wollten sich trotzdem treffen – zumindest kurz.

Zeit für Austausch

Es wurde dann eine sehr intensive und persönliche Gesprächsrunde.

Wir gingen reihum und jedes Teammitglied erzählte, wie es ihm in dieser Situation ging: Welche Fragen sich stellten. Welche Befürchtungen man hatte. Was man einfach nicht verstand. Was die eigene Mama oder Oma im Telefonat gestern dazu gesagt hatte. Was man gerade gelesen hatte. Wie schockierend das Wort "Krieg" wirkt. Wie die Kollegen des Lebenspartners, die in der Ukraine arbeiten, betroffen sind. Was man selbst in dieser Lage eigentlich tun kann. Welche Notfallpläne sinnvoll sind, falls der Krieg auf uns überschwappt.

Wäre ein persönliches Treffen besser?

Nach fast zwei Stunden stellte ich dem Team zum Abschluss die Frage:

„Wäre es eigentlich besser gewesen, wenn wir uns heute persönlich getroffen hätten statt ,nur‘ online?“

Hier sind die Antworten:

„Nein, denn ein Präsenz-Treffen hätten wir unter den Umständen ja auf jeden Fall abgesagt. So haben wir uns aber trotzdem getroffen, und das war eine sehr, sehr wertvolle Zeit.“

„Nein, denn für mich ist es viel einfacher, mich online zu öffnen. Ich gebe im Online Meeting viel mehr von mir preis, als ich das machen würde, wenn wir zusammen in einem physischen Raum wären. Dort wäre die Hemmschwelle für mich viel größer.“

„Für mich macht das keinen Unterschied. Ich finde beides gleich gut – es ist eine tolle Gelegenheit, sich gegenseitig besser kennenzulernen.“ (von einem Neuling im Team)

„Nein, das heute war sehr gut. Mir fehlt nur die Körpersprache. Ich habe euch ja noch nie physisch getroffen – ich weiß zum Beispiel nicht mal, wie groß ihr eigentlich seid.“ (Darauf haben wir uns gegenseitig unsere Körperlänge erzählt. Es folgte eine spannende Diskussion dazu, dass im Online-Raum wirklich alle auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, während in Präsenz die „Kurzen“ immer zu den „Langen“ aufschauen müssen.)

„Nein. Es ist einfach nur toll, dass wir im Team auch über solche Themen reden können. Man muss keine Angst haben, seine Meinung zu äußern. Und es stärkt so sehr den Zusammenhalt im Team, wenn man mehr Persönliches übereinander erfährt.“

Für mich ein schönes Beispiel dafür, dass auch auf Distanz persönliche Nähe sehr wohl möglich ist.

Persönliche Nähe trotz Distanz: So geht’s

  • Sich füreinander Zeit nehmen – Teambuilding Meetings ansetzen – das gehört genauso „zur Arbeit“ wie das Arbeiten an Aufgaben.
  • Alle sind immer auf Kamera.
  • Die Teambuilding-Zeit gut moderieren: Klare Fragen stellen. Reihum gehen. Jedem Zeit geben, um sich zu äußern. Die Stilleren ansprechen und einbeziehen.
  • Empathie zeigen: Raum für Gefühle geben – aufmerksam zuhören - explizit nachfragen, wie es jemandem mit etwas geht – Wertschätzung füreinander zeigen.
  • Voraussetzung: Psychologische Sicherheit. Jeder hat das Gefühl, sich äußern zu dürfen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen –auch wenn man dabei eigene Schwächen oder Unsicherheiten eingesteht.

So etwas lässt sich online meist mit wesentlich weniger Aufwand und viel schneller organisieren als ein Präsenz-Treffen. Und machen wir uns nichts vor: Bei Präsenz-Treffen klappt das mit den Emotionen und der Empathie ja oft auch nicht.

Letztendlich liegt es nur an der Leadership-Kompetenz, ob man persönliche Nähe herstellen kann – die Form des Treffens spielt da eher eine untergeordnete Rolle.

Fazit

Wenn also das nächste Mal jemand aus dem Management sagt: „Uns fehlt die persönliche Nähe – und das geht halt bei uns Menschen nur, wenn wir physisch zusammenkommen“ – dann könnte es daran liegen, dass diese Person einfach noch mehr am richtigen Mindset, Skillset und Toolset für Führung und Zusammenarbeit auf Distanz arbeiten muss.

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